Riesending-Schachthöhle

 
Tiefste und längste Höhle Deutschlands auf dem Untersberg
(Tiefe: -1149m, Länge: aktuell 23800m vermessen)*1 [Stand September/Oktober 2022]

Forschungsgeschichte



Der Eingangsschacht wurde im Rahmen einer Plateau-Vermessung bereits im Jahr
1995 entdeckt, blieb jedoch im Schatten anderer Projekte bis 2002 nahezu unbeachtet.
"Was ist denn das für ein Riesending" lautete der Ausspruch bei der Entdeckung der Eingangsdoline zur Schachthöhle.
Der Name sollte sich bewahrheiten.
2003 war die Höhle schon auf -400m erforscht und in den folgenden Jahre nahm die erforschte Tiefe, aber auch der Schwierigkeitsgrad der Forschungsvorstöße, ständig zu.
Am
21. Juli 2008 konnte das Forschungsteam einen sehr engen Gangteil am bisherigen Höhlenende überwinden und bis in eine Tiefe von 1056m vorstoßen.
Das Jahr 2009 brachte eine Überraschung: Der Hauptgang verlässt in knapp 900m Tiefe die bislang richtungsgebende Störung und biegt nach Norden ab. Dort taucht er in eine alte Siphonzone mit mächtigen Lehmablagerungen ab, in der sogar ein 8m langer Tunnel durch einen Lehmpfropfen gegraben werden musste. Jenseits setzt sich die Höhle großräumig fort. Die Forschung gestaltet sich jedoch mühsam, da immer wieder tiefe Senken den Gangverlauf unterbrechen, aus denen man nur mit Hilfe der Bohrmaschine wieder herausklettern kann. Den momentanen Forschungsendpunkt bildet eine große Halle, deren Lehmboden steil in eine tiefe Schlucht abbricht, aus der zur Zeit der Erforschung dichte Nebelschwaden aufstiegen.

Einen zweiten Tiefpunkt erbrachte die Erforschung des wasserdurchtosten Monsterschachtes. Dieser vereinigt sich 80m unter der Sohle des Hauptganges mit dem Nebelschacht und gemeinsam ziehen sie als große Röhre senkrecht weiter in die Tiefe. Durch einen Parallelschacht konnte in diesem Bereich ein zweites Mal in der Höhle eine Tiefe von 1000m erreicht werden. Dort mündet der Parallelschacht wieder in den nassen Hauptschacht, die Fortsetzung ist als steil abfallende Schlucht bereits einsehbar, der Vorstoß musste jedoch aus Seilmangel abgebrochen werden.
Ein mit Therion/Loch erstelltes Geländemodell des Untersberg - mit der Riesending-Schachthöhle, sowie am Bergfuß die Fürstenbrunner Quellhöhle.

Beschreibung der Höhle

Aufriss
Grundriss
Die Eingangsdoline der Riesending-Schachthöhle öffnet sich inmitten des unübersichtlichen Karstplateaus des Untersberges in 1843 m Seehöhe. Bereits an der Decke des Eingangsschachtes ist die steil einfallende Störung zu erkennen, an der die folgende Schachtserie angelegt ist. Durch eine bewetterte Engstelle am Grund des Eingangsschachtes gelangt man in einen freihängenden 60m-Schacht, an den sich ein nur von einem winzigen Balkon nach 50 m unterbrochener 180 m-Schacht anschließt.
Winzig klein sind die Helmlampen zweier Forscher in Deutschlands tiefstem Direktschacht zu erkennen.
Vom Balkon kann in den Ursprungscanyon gequert werden, der bisher in technisch sehr anspruchsvoller Kletterei etwa 200 m weit ansteigend verfolgt wurde und an dessen Sohle ein kleiner Höhlenbach rinnt, der sich auf halber Höhe in den 180 m-Schacht ergießt.
Im Ursprungscanyon geht es nur in technischer Kletterei weiter
Am momentanen Endpunkt beträgt die Überdeckung noch etwa 100 m, ein Zusammenhang mit dem nahen Überraschungsschacht (1339/319) ist denkbar. Der Schachtgrund des 180ers ist von grobem Blockwerk bedeckt und bricht in zwei Stufen in einen großräumigen Canyon ab, der sich im Fondue-Kammerl (ja, da gab’s zum Ausklang einer Tour einmal ein Geburtstagsfondue) in zwei Äste teilt. Der Bach folgt dem rechten Ast in den Riesencanyon, um sich nach etlichen Schleifen im 40m tiefen Nirvana-Schacht mit dem Sammler in 400 m Tiefe zu vereinigen
Durch den trockengefallenen Fossilen Canyon, an dessen Decke die richtungsgebende Störung erkennbar ist, wird vom Fondue-Kammerl aus nach kurzer Strecke ein hoher, wasserführender Schlot erreicht. Wahrscheinlich stellt der Canyon einen ehemaligen Zufluss zum Riesencanyon dar. Heute verschwindet der kleine Bach aus dem Schlot sofort wieder in einer engen Spalte, die über nasse Schrägschächte mit schönem T-Profil ebenfalls mit dem Sammler in Verbindung steht. Jenseits des Schlotes geht der Canyon in niedere Röhren mit durch Wind und Wasser fein modelliertem Lehmboden über. Durch ein kleines Wandfenster kann in eine steil ansteigende Röhre mit deutlicher Wasserstandsmarke geklettert werden, die in einer höheren Etage über einen horizontalen Gang mit wunderbaren Deckenkolken Verbindung in den Riesencanyon hat.
Schöne Laugformen an der Decke unweit des ersten Biwaks.
Kochen und ...

… schlafen im Biwak.

Die Fortsetzung der Röhren leitet ins Röhrenlabyrinth, in dem kaum vados überprägte phreatische Gänge einen alten Staubereich in 1500 m Seehöhe markieren. Das Röhrenlabyrinth bricht an mehreren Stellen in den unterlagernden Canyon des Sammlers ab. Dieser fließt in einem relativ engen Canyon ohne spürbaren Höhenverlust und bildet unterhalb des Röhrenlabyrinthes einen kurzen Siphon. Bachauf kann er relativ einfach bis zu einem gut 20 m hohen Wasserfall verfolgt werden, oberhalb dessen sich der Hochsammler anschließt, der auf den folgenden 50 m von einer Reihe kleiner Zubringer gespeist wird, die jeweils zu einer Tieferlegung der Canyonsohle geführt haben. Ab dem Turm, der durch eine abgeschnittene Mäanderschleife gebildet wird, macht der Hochsammler kaum noch Höhe. Äußerst mühselig leitet er bis zum derzeitigen Höhlenende in einer hohen Schlucht, in die der Bach als Wasserfall über Stufen sehr mürben Gesteins herabstürzt.
Bachab des Nirvana setzt sich der Sammler nach der Vereinigung mit dem Riesencanyon unausleuchtbar hoch, jedoch meist recht eng mit geringem Gefälle weiter in die Tiefe fort. Im Waschsalon sammelt er die letzten beiden Zubringer bis zum Zusammenfluss mit dem Donnerbach in 900 m Tiefe. Der Exzentriques-Schacht, der seinen Namen nach bizarr geformten Kalzitkrusten am Einstieg hat, kündigt einen Wechsel im Höhlencharakter an. Der Canyon gerät in den Bereich zu den Südostabstürzen des Plateaus hangparalleler Klüfte und das Gefälle nimmt drastisch zu. In der Lagune in knapp 500 m Tiefe und den zwei folgenden, kleinen Schachtstufen ist die steil nach Nordwesten einfallende Schichtung des Kalkes gut zu erkennen.
Ab -500m wird es richtig nass!
Dazu kontrastiert der völlig ebene Felsboden der Lagune, der von zahlreichen Versteinerungen bedeckt ist. Auf kurzer Strecke fließt der Höhlenbach in der Riviera ruhig dahin, dann folgt der beeindruckende 60 m-Schacht Schluss mit Lustig. Eine weitere kleine Schachtstufe führt zum Beginn des Lets-Fetz-Canyons in 600 m Tiefe. Die Wände des Canyons sind von zahlreichen scharfkantigen Hacheln überzogen, die auf eine zunehmende Dolomitisierung des Kalkes hindeuten. Nach den Wasserfallstufen der Schleierfälle trifft der Canyon auf eine fast senkrecht stehende, große Querstörung, deren Grund nach 70 m freien Abstiegs in 705 m Tiefe erreicht ist. Am Einstieg in diese Große Schlucht ist zum ersten Mal Dolomit aufgeschlossen, an Schluchtgrund steht noch einmal fossilreicher Kalk an, im weiteren Verlauf des Baches vollzieht sich der Wechsel zum Dolomit endgültig, der mit einer deutlichen Verkleinerung der Querschnitte einhergeht.
Oberhalb des Bachlaufes ist in 1140 m Seehöhe ein kurzes, vom Wasser verlassenes Horizontalniveau mit mächtigen Sedimentlagern ausgebildet. In die Sedimentschicht ist ein altes Bachbett eingetieft, das auf eine kurzzeitige Reaktivierung des Ganges hindeutet. Die Lehmetage lässt sich knappe 100 m weit horizontal verfolgen und endet in einem trockenen Schlotraum. In einer kleinen Nische findet sich auf engen Raum begrenzt ein wahrer Tropfsteinwald, das einzige nennenswerte Sintervorkommen der Höhle. Unterhalb des Schlotes führen die Fossilen Schächte in die Tiefe. Am Grund der ersten Schachtstufe fließt eine Halde dunklen, tonigen Materials in den Raum, wahrscheinlich ein Aufschluss der Raibler Schichten, die den Dachsteindolomit vom Ramsaudolomit trennen.
Etwas tiefer münden sowohl der Bachlauf, als auch die fossile Schachtserie in eine große Störungszone ein. Die Große Schräge, wie auch die Fossile Schräge sind an einer mit etwa 60° einfallenden Verwerfung angelegt und führen über steile Harnischflächen in die Tiefe. In 870 m Tiefe, also auf 970 m Seehöhe, ist der Grund der Fossilen Schräge erreicht. In südöstlicher Fortsetzung der Störung kann man zum Donnerbach absteigen, den man am Fuß eines hohen Wasserfalls erreicht. Bachab verschwindet das Wasser in engen Spalten, um in der Wasserfallhalle am Grund der Großen Schräge wieder auszutreten. Bachauf kann man noch eine erste Stufe erklettern, bevor der Canyon zu steil wird. Ein zweiter Ast zieht von der Fossilen Schräge etwas höher trocken in die gleiche Richtung und findet sein vorläufiges Ende nach einem winddurchtosten Schluf, dessen Wände mit feinen Kalzitkristallen besetzt sind, in einer steil ansteigenden Kammer. Nach oben hat sich durch Nachbrechen des gleichen tonigen Materials, wie es weiter oben in den Fossilen Schächten angetroffen wurde, ein kurzer Gang ausgebildet, der nach der Bergmannssprache Toter Mann getauft wurde. Oberhalb eines labil wirkenden Verbruches ansetzende Spalten wurden noch nicht abschließend untersucht.
Der Grund der Großen Schräge in 920m Tiefe
Wesentlich beeindruckender als die Fossile Schräge ist der gewaltige Raum der Großen Schräge. Begleitet vom Wasserfall klettert und seilt man bald über spiegelnd glatte Harnischflächen, bald über gut strukturierte Platten fast 200 m in die Tiefe. Von einem kurzen Absatz in 870 m Tiefe ist eine Verbindung zur Fossilen Schräge zugänglich, der Abstieg setzt sich jedoch noch über 40 m weiter zum Grund der 1. Senke fort. Da der Hauptgang jenseits der Senke in 870 m Tiefe weiterführt, kann man davon ausgehen, dass es sich bei der 1. Senke um einen alten See handelt, der sich am Zusammenfluss des Sammlers, des Donnerbachs und eines dritten, noch wesentlich stärkeren Bachlaufes, der als Wasserfall in den Raum eintritt, gebildet hat. Am Grund der 1. Senke finden sich reiche Sedimentlager mit Dolomitsand, knolligen Konkretionen und Resten von Sandsteinbänken. Die gesammelten Bäche verschwinden in einer relativ engen Spalte am Grund der Senke, um in 987 m Tiefe in einem kleinräumigen Siphon zu versinken. Es handelt sich hierbei sicher um einen vergleichsweise jungen Ablauf. Folgt man dem Grund der Senke, so gelangt man bald wieder aufsteigend zu einem weiteren Wasserlauf, der sich ebenfalls in jungen Spalten bis zu einem Siphon in 987 m Tiefe verfolgen lässt. Offenbar ist hier ein lokaler Staubereich am Grund der Störung erreicht.
Die Fortsetzung des Hauptganges führt der Störung folgend in 970 m Seehöhe über fast einen Kilometer nach Nordwesten und verlässt den Dolomit bald wieder. Es wechseln sich störungsgebundene Gänge und verbrochene Hallen ab, immer wieder tritt die steil einfallende Verwerfung in Erscheinung. Schließlich passiert man die Einmündung des Schönen Canyons, der auf kurzer Strecke abwechselnd mit phantastischen Schlüsselloch-, Canyon- und Röhrenprofilen aufwartet
Der „Schöne Canyon“ trägt seinen Namen nicht ohne Grund
Die Wände sind von kleinen Strömungsdellen übersät, in den Boden des Canyons hat sich stellenweise ein Minicanyon eingetieft. Ein Sandsiphon lässt sich umklettern, bald darauf teilt sich der Gang. Nach Norden führt ein Abzweig zu noch unbezwungenen Kletterstellen hinab, gegen Südosten zieht der Hauptast mit ständig wechselnden Profilen weiter. Bald dominieren phreatische Röhren einer ehemaligen Siphonzone mit Sandboden, die durch einen Schacht 10 m in die Tiefe versetzt werden. An mehreren Rundgängen und noch unerforschten Abzweigungen vorbei gelangt man schließlich zu einem Abbruch in einen aktiven Canyon. Eine Rampe oberhalb des Bachlaufes erkletternd tritt man in große Schlothallen hinaus, die den momentanen Forschungsendpunkt markieren. Bachab verschwindet der Wasserlauf in einem immer engeren Mäander, wahrscheinlich eine junge Bildung, die dem Schönen Canyon das Wasser abgegraben hat. Ein definitives Ende konnte auch hier noch nicht erreicht werden.
Am Grund der Großen Halle in 950 m Tiefe
Zurück im Hauptgang gilt es, die 2. Senke zu passieren. Diese hat sich analog zur 1. Senke beim Zusammentreffen mehrerer Bäche gebildet, die heute jedoch trockengefallen sind. Die Wände sind von großen Laugfacetten geschmückt, am Boden finden sich verschiedenste Sedimente. Die Hauptfortsetzung führt wieder in 970 m Seehöhe als hoher Canyon weiter. Vorbei an Barbarossas Thronsaal, einem runden Raum mit großen Deckenkolken, zieht der Königscanyon bis zum Ansatz der Großen Röhre. Diese markiert den Übergang in einen ehemaligen Siphonbereich mit phreatischen Raumformen
Gleichzeitig beginnt eine Reihe von Schächten, die äußerst mühselig umklettert werden müssen. Der erste führt in enge Röhren hinab und endet bis jetzt am malerischen Nymphenbad. Der zweite gewährt Zugang in die Odlgrubn, einen äußerst schlammigen Höhlenteil, der über den garstigen Lehmbomben-Mörderschacht
und die Halle der Begegnung mit tieferen Etagen in Verbindung steht und im Stiegenhaus auch noch eine nicht vollständig erkletterte Fortsetzung in die Höhe aufweist. Die folgenden Blindschächte im Hauptgang sind an ihrem Grund jeweils miteinander verbunden. Ein seitlicher Abzweig bricht in die Dröhnung ab, einen Schacht mit seltsamem Hall, der durch äußerst lehmige Abstiege in ein kleines Kluftlabyrinth mit schönen Raumformen hinabführt, das noch nicht völlig erforscht wurde, dessen Hauptfortsetzung jedoch in der Wind-weg-Kammer endet. Der letzte größere Blindschacht im Hauptgang kann über den Reitgrat ausgesetzt überbrückt werden und gewährt Zugang zum 6. Schacht.
Nichts für schwache Nerven: der Reitgrat.
Dieser endlich führt knapp 70m tiefer in die horizontalen Lehmgänge, deren Boden mit großen Lehmpolygonen bedeckt sind. Ein unscheinbares Bodenloch mündet in der Decke der Großen Halle und gewährt so Zugang zu einem völlig neuen Höhlenteil.
Die Große Halle dürfte Teil einer vom Riesending weitgehend unabhängigen Höhlenbildung sein. Nach Südosten aufsteigend lässt sich in einer zum Hauptgang des Riesendings parallelen Störung durch einen Versturz die Halle der Begegnung und in ihrer Fortsetzung die Schräge Halle erreichen. Eine Fortsetzung oberhalb einer Kletterstufe dort könnte mit dem Schönen Canyon in Zusammenhang stehen. Nach Westen schließt sich an die Große Halle der Windgang an, der seinem Namen alle Ehre macht und auch direkt vom 6. Schacht durch den Windschacht erreichbar ist. Dieser fällt über mehrere kleine Stufen zu einem Verbruch in 980 m Tiefe ab, der sich durch eine Engstelle überlisten lässt. Die Fortsetzung des Ganges ist überraschend großräumig und trocken und bricht schließlich mit einem letzten Schrägschacht in die Krötenhalle ab, die nach einem charakteristischen Felsen in ihrer Mitte benannt ist. Zwischen den Bodenblöcken kann man zu einem kleinen Bachlauf absteigen, der bei großer Trockenheit vielleicht noch ein paar Meter befahren werden kann. Die Hauptfortsetzung der Halle endet jedoch in 1058 m Tiefe zugeschwemmt. Der Ursprung des Höhlenwindes ist noch ungeklärt.
Doch auch der Hauptgang setzt sich jenseits des 6. Schachtes in unverminderter Größe und immer auf 970 m Seehöhe fort. Allerdings versperrt ein tiefer See, die Reitertränke, den Weiterweg. Die Decke senkt sich kurz bis auf einen Meter zur Wasserfläche hinab (Abb. 8), dahinter wird der Gang gleich wieder hoch, seine Sohle bleibt jedoch auf den folgenden 100 m meist wasserbedeckt. Mit zahlreichen kleineren Seen setzt sich ein Canyon horizontal fort, passiert die Abzweigungen Gipsgang und Rutschpartie, durchquert die Raumerweiterung der Arena, die über steile Röhren mit einem noch unerforschten Bachlauf und über einen abzweigenden, kleinen Canyon mit dem gewaltigen Monsterschacht in Verbindung steht, und mündet schließlich in den Nebelschacht, der das derzeitige Forschungsende markiert. Die Seitengänge in diesem Bereich sind noch weitgehend unerforscht und über den gesamten Höhlenteil jenseits der Reitertränke lässt sich noch wenig sagen. Einzig der Gipsgang, an dessen Sohle sich im trockenen Lehm zahlreiche Gipsblüten finden, wurde über mehrere Schachtstufen bis zur unpassierbaren Engstelle des Durchblicks erforscht.
Der tiefe See der Reitertränke jenseits des 6. Schachtes

Höhlenklima und Radonmessung



In unterirdischen Räumen wie Kellern, Stollen, oder eben auch Höhlen, kann oft ein erhöhter Radongehalt in der Luft festgestellt werden. Radon entsteht durch den Zerfall von Uran (Radon-222) oder Thorium (220), die als natürliche Bestandteile in allen Gesteinen vorkommen. Es hat eine recht kurze Halbwertszeit von 4 Tagen (Radon-222) oder gar nur einer Minute (Radon-220), einige seiner weiteren Zerfallsprodukte sind jedoch wesentlich haltbarer. Eine gesundheitsschädliche Dosis wird in Höhlen aufgrund der natürlichen Bewetterung praktisch nicht erreicht.

Da die Anreicherung der Luft mit Radon mit ihrer Verweildauer in der Höhle zusammenhängt, kann man durch Radon-Messungen theoretisch Rückschlüsse auf die Ausdehnung eines Höhlensystems ziehen. Dies ist jedoch von vielen Faktoren abhängig (Strömungsgeschwindigkeit, Gangvolumen, ...) und deshalb ist eine Modellbildung schwierig. Einen größeren praktischen Nutzen hat die Radon-Messung, weil sie sehr empfindlich auf Änderungen der Bewetterung reagiert. So ist ein Richtungswechsel des Luftstromes normalerweise nicht über Temperaturmessungen zu erkennen, bildet sich aber deutlich in Radon-Messreihen ab. Dummerweise sind Radon-Messungen vergleichsweise teuer.
[vgl. Pavuza, Rudolf (2007): Was bringen Radonmessungen in der Höhlenklimaforschung? In Tagungsband zur Untertage Alpin 2007, Berchtesgaden]

In der Riesending-Schachthöhle haben wir zwei Mal für jeweils einige Tage einen Radonlogger aufgestellt, den uns Rudolf Pavuza von der höhlenkundlichen Abteilung des Naturkundemuseums Wien zur Verfügung gestellt hat. Positioniert wurde der Logger nahe Biwak 4 in 920m Tiefe. Dort mündet der Canyon des Riesendings in eine gewaltige Horizontaletage, in der plötzlich starker Wind auftritt.

Die Radonmessungen fanden einmal im August, das andere Mal Anfang November statt, um möglichst charakteristische Werte für Sommer und Winterbewetterung zu erhalten. Leider war die Windrichtung während beider Messphasen trotzdem nicht ganz stabil, die Ergebnisse müssen also mit etwas Vorsicht betrachtet werden. Aber zumindest konnte unsere Vermutung bestätigt werden, dass auf -900m ein eigenständiges Bewetterungssystem besteht, in dem der von uns benutzte Eingang des Riesendings nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die gemessenen Radonwerte waren auch bei Sommerbewetterung (vom Plateau her durch den Schacht einströmende Luft) zu hoch für den relativ kurzen Weg vom Eingang bis in 900m Tiefe (etwa 2 km Messzuglänge).

Der Unterschied zwischen Sommer- und Winterbewetterung fiel dagegen überraschend gering aus, was natürlich auch mit der etwas wechselhaften Bewetterung zusammenhängen kann. Grob kann abgeschätzt werden, dass sich zwei Drittel der durchströmten Höhle talwärts des Logger-Standortes befinden und ein Drittel bergwärts. Wir dürfen uns also in jedem Falle noch auf einige Entdeckungen freuen. Aussagekräftige Informationen zum Höhlenklima werden bereits seit dem
Frühsommer 2005 mittels Datenlogger erhoben und mit den Daten der Wetterstation am Salzburger Hochthron korreliert. Um ein möglichst detailliertes Bild von den Höhlen am Untersberg zu erhalten, werden alle höhlenrelevanten Daten in ein digitales Geländemodell eingepflegt und in einer html-gestützten Datenbank zusammengefasst.

Nach dem Unglück von Johan Westhauser im Juni 2014 kam die Forschung weitgehend zum Erliegen. Nur kleine Teile Neuland wurden vermessen. Die Befahrungen der letzten Jahre waren hauptsächlich darauf ausgerichtet die Spuren der Rettungsaktion zu beseitigen. So wurden viele hundert Kilogramm Ausrüstungsgegenstände und Müll wieder ans Tageslicht befördert. Anker, Seile, Telefondrähte und Karabiner wurden entfernt - beziehungsweise getauscht.

Der Container diente als feste Unterkunft während des Rettungseinsatze und wurde mit Transporthubschraubern der Bundeswehr und Bundespolizei an den Eingang der Höhle geflogen.

Der Zugang zur Höhle wurde noch im Juni 2014 von der Gemeinde Bischoffswiesen mit einem Gitter versehen, um gefährlichen Höhlentourismus zu vermeiden.

2018 - auf dem Weg zur Riesending-Schachthöhle

Im Oktober 2018 konnten ein neuer Höhlenteil - der die Lange Gerade unterlagert - und bereits im Juli 2018 entdeckt, aber aus Zeitmangel nicht dokumentiert wurde, vermessen werden. Auch im aktiven Canyon des Westzubringers wurde Neuland erschlossen. Mit 600m Neuland steigerte sich die Gesamtlänge auf 21.300 m.

Der vergitterte Zugang wurde inzwischen von Unbekannten noch mit dem passenden Klingelschild versehen.

Einsatz des Cave-Link-Systems. Das System funktioniert im Längstwellenbereich und es können damit Nachrichten (SMS) durch mehrere hundert Meter Fels übermittelt werden. Bedingt durch die Wellenlänge müssen auch die Antennen auf der Oberfläche und in der Höhle entsprechend lang dimensioniert sein. Den Forschern in der Riesending-Schachthöhle dient das System zur Übermittlung von Wettervorhersagen und im Notfall zur Anforderung von Hilfe. [ Cave-Link auf Wikipedia]

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Im Jahr 2019 gab es zwei Touren um weitern Müll zu beseitigen es konnte aber auch Neuland erschlossen werden, so dass die die Gesamtlänge 22400m betrug. Ein weiter Zuwachs an Tiefe ist nicht mehr zu erwarten, da die Höhle in die phreatischen Zone eintaucht.

2020 erschien - um das vorläufige Ende der Hauptforschung zu dokumentieren - das Buch "Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg - Forschungsgeschichte und Höhlenbeschreibung mit Plandarstellungen". Ulrich Meyer gehört zu den Entdeckern des Riesendings und koordiniert seit der Entdeckung die Erforschung der Höhle.

 

Im Juli 2021 kam der Film Das Riesending: 20.000 Meter unter der Erde in die Kinos. Der Film von Freddie Röckenhaus war schon länger geplant.

Die ersten Dreharbeiten fanden schon 2014 statt. Infolge des Unfalls in der Riesending-Schachthöhle und den Tod der Co-Autorin konnte der Film aber erst 2021 fertiggestellt werden. Bei weiteren Befahrungen im Jahr 2021 konnte noch weiteres Neuland erschlossen werden, so dass die Gesamtlänge auf 22750m angewachsen ist.

 

Im September und Oktober 2022 starten zwei Expeditionen, um Fortsetzungen an Stellen zu suchen, an denen man schon einmal umgekehrt war.

Die September-Expedition ging durch den "Schönen" und "Hässlichen Canyon" in eine Tiefe von ca. 900m. Und hier an einen 30m tiefen Schacht, der sich dann horizontal als Spalte fortsetzt. Dieser konnte man ca. 150m weit folgen, um an einem weiteren Schacht zu kommen, in dem sich auf der gegenüberliegenden Seite die Spalte weiterzieht.

Bei dieser Tour wurden insgesamt 636m Neuland vermessen - die Gesamtganglänge des Riesendings war auf 23.667m angewachsen.

Im Oktober stand die Vermessung der Fortsetzung des Krakenbachs bei Biwak 8 auf dem Plan. Hier war man im Herbst 2016 schon bis zu einer Wasserfallstufe vorgedrungen.

Dem Canyon konnte weiter gefolgt werden und ein Längenzuwachs von 167m erziehlt werden. Mit dem Neuland der Septembertour liegt die Gesamtlänge der Höhle nun bei 23800m*1.

 


Weitere Informationen:


 

Forschungsberichte und Dokumentationen

finden sich in:

RIESENDING. Die Erforschung der tiefsten Höhle Deutschlands
[Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt e.V.  [Hrsg.], Meyer, Ulrich (2020): RIESENDING. Die Erforschung der tiefsten Höhle Deutschlands. Selbstverlag]

Das Riesending im Untersberg
[Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt e.V.  [Hrsg.] (2015): Das Riesending im Untersberg. Selbstverlag]

"Die Höhle"
[Matthalm, Thomas u. Meyer, Ulrich (2009): Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg. In Die Höhle: Zeitschrift für Karst- und Höhlenkunde. Zeitschrift des Verbandes Österreichischer Höhlenforscher und des Verbandes der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. 60. Jg. (2009), Heft 1-4. S. 33-43]
 
Mitteilungen des Verbands der Deutschen Höhlen- und Karstforscher Nr.2 / 2011 (PDF)
[Matthalm, Thomas u. Meyer, Ulrich (2011): Die Riesending-Schachthöhle im Untersberg. In Mitteilungen des Verbands der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. München Jg.57, 2. Quartal Nr.2/2011, S. 36–44]
 
Actes du 13e Congrès national de Spéléologie [Arbeitsgemeinschaft für Speläologie Regensdorf]
[Meyer, Ulrich (2012): Auf der Suche nach dem Barbarossa-System im Untersberg. In Actes du 13e Congrès national de Spéléologie. Muotathal 2012, S. 68–74] 
 
sowie im GEO Magazin Nr. 01/10 und GEO.de - Im Riesending
[Ambromeit, Lars u. Peter, Carsten (2010): An diesen geschundenen Strick soll ich mein Leben hängen? Tief verborgen im Untersberg bei Berchtesgaden verzweigt sich Deutschlands größtes Höhlenlabyrinth: das >Riesending<. Ein GEO-Team hat sich abgeseilt. In GEO Nr. 01/10 Gruner+ Jahr Druck und Verlagshaus: Hamburg. S. 100-114]

Multimedia / Filme:


Röckenhaus, Freddie (2021) : DAS RIESENDING 20.000 Meter unter der Erde
YouTube: Offizieller Trailer


Höfer, Petra und Röckenhaus, Freddie - Terra X (2014): Deutschland von unten auf ZDF.de

 

Passauer Neue Presse [2014.06.19] Höhlenrettung Riesending - Johann Westhauser (YouTube)

Gemeinde Bischofswiesen:
Verordnung über das Betreten und Befahren der "Riesending-Schachthöhle" am Untersberg - Inkrafttreten 01.01.2020 - (Download PDF)

Der Untersberg - Berchtesgadener Hochthron (kmz-Datei) in Google Earth
 
Riesending-Schachthöhle auf Wikipedia.de
Rettungsaktion in der Riesending-Schachthöhle auf Wikipedia.de
 
Der Untersberg auf Wikipedia.de

*1 Die Längenangabe des Riesendings kommt zustande, indem man von der Polygonzuglänge 200m abzieht und dann auf die nächste 100er-Stelle rundet. Dies macht man um Hallenrundzüge, Anschlusszüge und Peilschüsse z.B. in Schloten ansatzweise abzuziehen. Daraus ergibt sich einen vermessene Länge von +/- 200m, je nachdem wie man die Hilfszüge verrechnet. Deshalb ergibt sich aus der einfachen Addition der angegebenen Einzelvermessungen auch nicht die Summe der Gesamtlänge.

Informationen zur Vermessung von Höhlen und dem Zeichnen von Höhlenplänen findet man z.B. auf den Sites von:

Höhlenplan (Arbeitsgemeinschaft für Speläologie Regensdorf /CH)

CaveRender (DAV Höhlengruppe Frankfurt/Main),

Höhlenvermessung (ARGE Grabenstetten),

Tools  (Internationale Speläologische Arbeitsgruppe Alpiner Karst),

Fehlervermeidung bei der Höhlenvermessung (Schweizerischen Gesellschaft für Höhlenforschung Sektion Bern)

und bei SGH [Hrsg.], GROSSENBACHER, YVAN (1992).

 

 


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